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BGH: Keine GEMA-Pflicht für Wohnungseigentümergemeinschaft

10.12.2015, News

Bereits im September 2015 hatte der Bundesgerichtshof (Urteil vom 17. September 2015, Az.: I ZR 228/14) entschieden, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die über Satellit ausgestrahlte und mit einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangene Fernseh- oder Hörfunksignale an die einzelnen Wohneinheiten weiterleiten, nicht der GEMA-Pflicht unterfalle. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof am 30. November 2015 die Entscheidungsgründe veröffentlicht.

Entscheidendes Kriterium bei der Beurteilung einer GEMA-Pflicht war für den Bundesgerichtshof die Frage, ob die Weiterleitung der über die Gemeinschaftsantenne empfangenen Signale eine Kabelweitersendung im Sinne des § 20b UrhG darstellte oder nicht.  Die Frage entschied sich letztlich an der für eine Kabelweitersendung erforderliche öffentliche Wiedergabe.

Die Öffentliche Wiedergabe

Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG ist eine Wiedergabe dann öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist, wobei zur Öffentlichkeit nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder gehört. Der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.  Bereits die Definition zeigt, wie schwer eine genaue Einschätzung der öffentlichen Wiedergabe sein kann.  Hinzukommen europarechtliche Einflüsse, die eine klare Definition noch weiter verwässern.

Konsequenterweise hat der Bundesgerichtshof seiner Begründung auch ausreichend Raum eingeräumt und das Ergebnis auf über zehn Seiten hergeleitet. So kam er letztlich zu dem Ergebnis, dass eine öffentliche Wiedergabe im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dann vorliegt, wenn eine Wiedergabe eines Werkes an die Öffentlichkeit, also einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen, unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet oder das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird.  Schließlich seien auch mit der Wiedergabe verfolgte Erwerbszwecke in die Betrachtung mit einzubeziehen.

Urteil vom 11. September 2014, Az.: 6 U 2619/13

Nach diesen Kriterien stellte sich die Weiterleitung der über die Gemeinschaftsantenne empfangenen Signale nicht als öffentliche Wiedergabe dar. Zwar sei die Weiterleitung als Wiedergabe einzustufen, die sich zwar nicht an ein neues Publikum richte (wie noch das OLG München angenommen hatte), aber unter Verwendung eines technischen Verfahrens erfolge, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheide.  Nicht erfüllt hingegen sei das Erfordernis einer Weiterleitung an eine Öffentlichkeit (also an (i) eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und (ii) recht viele Personen).  Das Kriterium der „recht vielen Personen“ nahm der Bundesgerichtshof angesichts der Anzahl der versorgten Wohneinheiten (343 an der Zahl) problemlos an.

Allerdings sah er es als nicht gegeben an, dass die Wiedergabe an eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten erfolgte.  Der Bundesgerichtshof hat – unter Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (u.a. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2005, Az.: C-192/04, Slg. 2005, I-7199 – Lagardère/SPRE und GVL) – angenommen, dass die Wiedergabe sich vorliegend auf einen begrenzten Personenkreis sowie eine private Gruppe beziehe:  Die Bewohner der Wohnanlage. Etwaige Wechsel der Bewohner im Laufe eines Jahres, die sich zahlenmäßig bei circa 10 % einfinden, stünden dem nicht entgegen.  

Nach Ansicht des Bundesgerichtshof unterscheide sich der Fall, dass Signale über eine Gemeinschaftsantenne empfangen und dann innerhalb des Wohnkomplexes an die einzelnen Wohnungen weitergeleitet werden, nicht von der Fallgestaltung, dass jeder einzelne Eigentümer für seine eigene Wohnung eine gesonderte Antenne installiert.  Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus:

Bei der Beurteilung der Frage, ob im Streitfall die über eine Gemeinschaftsantenne empfangenen und durch ein Kabelnetz weitergeleiteten Sendesignale einer „privaten Gruppe“ übermittelt werden, ist zu berücksichtigen, dass diese Sendesignale von einer Wohnungseigentümergemeinschaft ausschließlich in die Wohnungen der dieser Gemeinschaft angehörenden Wohnungseigentümer übermittelt werden. Bei einer wertenden Betrachtung unterscheiden sich der Empfang mittels einer gemeinsamen Satellitenschüssel und die Weiterleitung über ein Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen nicht von der Fallgestaltung, dass jeder einzelne Eigentümer für seine eigene Wohnung eine gesonderte Antenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte in seiner Wohnung weiterleitet. Im zuletzt genannten Fall liegt keine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vor, weil die Wiedergabe auf „besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören. Wenn die Gesamtheit der Wohnungseigentümer anstelle zahlreicher Einzelantennen eine Gemeinschaftsantenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungen weiterleitet, ist das daher gleichfalls als eine Wiedergabe anzusehen, die auf „besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören. Im Ergebnis leiten die einzelnen Eigentümer die Sendungen nur an sich selbst weiter.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. September 2015, Az.: I ZR 228/14, Rz. 67).

Insofern hat der Bundesgerichtshof Wohnungseigentümergemeinschaften den Rücken gestärkt und klargestellt, dass eine Weiterleitung innerhalb einer geschlossenen Gruppe mittels einer gemeinsamen Empfangseinrichtung keine öffentliche Wiedergabe darstellt – und dafür auch keine Gebühren an eine Verwertungsgesellschaft wie die GEMA zu entrichten sind.

Übertragbarkeit auf Antennengemeinschaften

Doch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dürfte auch für Antennengemeinschaften und Antennenvereine bedeutsam sein, gestalten sich doch Empfang und Weiterleitung der Signale an die Mitglieder in ähnlicher Art und Weise.  Letztlich finden auch hier der Empfang des Signals regelmäßig über eine Gemeinschaftsantenne und die Weiterleitung an die Mitglieder der Antennengemeinschaft bzw. des Antennenvereins statt.  Insofern ist auch hier mit hoher Wahrscheinlichkeit das Kriterium der „Öffentlichkeit“ nicht erfüllt, weil die Weiterleitung an einen besonderen und privaten Personenkreis (die Mitglieder) erfolgt und auf diesen begrenzt ist.

Sollten Sie Fragen zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Besonderen oder zur Frage der Vergütungspflicht im Allgemeinen haben, zögern Sie bitte nicht uns anzusprechen.