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Neue Zuständigkeiten im Erbfall: EU-Erbrechtsverordnung gilt seit dem 17. August 2015

24.08.2015, News

Es hat drei Jahre gedauert, aber nun ist es soweit: Die bereits am 27. Juli 2012 veröffentlichte EU-Erbrechtsverordnung gilt seit dem 17. August 2015. Die EU-Erbrechtsverordnung, Verordnung (EU) Nr. 650/2012, ist auf Erbfälle anwendbar, bei denen der Erblasser nach dem 16. August 2015 verstirbt. Keine Anwendung findet sie im Vereinigten Königreich, in Irland und in Dänemark. In Deutschland hat der Gesetzgeber zu ihrer Durchführung das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz vom 29. Juni 2015 erlassen. Inhaltlich schaffen die Regelungen kein neues Erbrecht, sondern bestimmen im Kern die internationale Zuständigkeit. Darüber hinaus wird ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt.

1. Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts 

Von besonderer Bedeutung ist, dass die Verordnung nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verstorbenen anknüpft. Die gesamte Rechtsnachfolge, also von der Vererbung, dem Übergang des Vermögens bis hin zur Teilung des Nachlasses einschließlich eventueller Auszahlungen, unterliegt im Grundsatz dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 

Zur Bestimmung des anwendbaren Rechts kommt es also darauf an, in welchem Land sich der Verstorbene nicht nur vorübergehend aufgehalten hat. Als Kriterium soll eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände, vor allem unter Berücksichtigung des familiären und sozialen Lebensmittelpunkts stattfinden. Dies mag bei Pendlern, die über einen längeren Zeitraum in einem anderen Staat arbeiten, eine Rolle spielen.  

Eindeutig ist das folgende Beispiel: Lebt und stirbt ein Rentner mit deutscher Staatsangehörigkeit in Südfrankreich, kommt französisches Erbrecht zur Anwendung. Und zwar nicht nur für sein Haus in Frankreich, sondern auch für sein Vermögen, das sich weiterhin in Deutschland befindet. 

Hat der Verstorbene vor dem 17. August 2015 ein Testament in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht errichtet, so bleibt ein solches Testament weiterhin gültig. Die Ungewissheit liegt allerdings darin, wie die Gerichte im Ausland mit Verfügungen verfahren werden, die ihnen nicht bekannt sind. So wird beispielsweise das in Deutschland nicht selten verwendete Ehegattentestament in einigen südeuropäischen Ländern nicht anerkannt. 

2. Möglichkeit der Rechtswahl 

Nun sieht die EU-Erbrechtsverordnung zwar die Möglichkeit der Rechtswahl vor. Der Erblasser kann  für das Erbrecht das Recht des Staates seiner Staatsangehörigkeit wählen. Mit der Beschränkung auf das Recht des Staates der Staatsangehörigkeit soll sichergestellt werden, dass eine Verbindung zwischen dem Erblasser und dem gewählten Recht existiert. Primärer Zweck der Regelung ist aber vor allem die Unterbindung einer Rechtswahl, die lediglich erfolgt, um beispielsweise Pflichtteilsberechtigte auszuschalten.

Auch im Falle einer Rechtswahlbestimmung darf allerdings nicht übersehen werden, dass für die Abwicklung des Nachlasses und für eventuelle Streitigkeiten unter den Erben im Ansatz die Behörden des Staates zuständig sind, in dem der Verstorbene im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 

Damit müssten, um bei dem oben zitierten Beispiel zu bleiben, staatliche Stellen in Frankreich über das Ehegattentestament entscheiden, das sie im Prinzip nicht anerkennen und für das sie folglich gar keine prozessualen Regeln zur Verfügung haben. Die Verordnung strebt daher einen Gleichlauf zwischen der Zuständigkeit und dem anwendbarem Recht an. Wie die einschlägigen Regelungen in der jeweiligen nationalen Praxis zukünftig angewandt werden, bleibt abzuwarten.

3. Das Europäische Nachlasszeugnis

Das mit der Verordnung eingeführte Europäische Nachlasszeugnis strebt ebenfalls eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung der Erbschaft an. Beantragt werden kann es von Erben, Vermächtnisnehmern mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und von Testamentsvollstreckern sowie Nachlassverwaltern. Der deutsche Gesetzgeber hat im Durchführungsgesetz vom 29. Juni 2015 die näheren Verfahrensvorschriften erlassen. Ausgestellt wird das Europäische Nachlasszeugnis auf einem von der EU-Kommission erstellten Formblatt. Es gilt ohne weiteres in allen Mitgliedstaaten und ist mit dem deutschen Erbschein vergleichbar.

Die zusammenfassende Übersicht verdeutlicht, dass nicht nur vorbeugende Beratung erforderlich ist, sondern auch und gerade nach einem eingetretenen Todesfall international-rechtliche Kompetenz gefragt ist. Nur dann kann die durch die Verordnung erhoffte Beschleunigung der Abwicklung von Erbfällen mit internationalem Hintergrund erreicht werden. Diese internationale Kompetenz bietet unsere Kanzlei durch ihre Mitgliedschaft im Netzwerk Multilaw in rund 150 Ländern sowie dank jahrelang gefestigter Beziehungen zu ausländischen Partnerkanzleien in ganz besonderem Maße.