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Keine Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern für Unternehmensratings

13.02.2018, News

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 8. Februar 2018 (Az. I-6 U 50/17) als erstes Oberlandesgericht kürzlich mehrere interessante Rechtsfragen zur Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern für angeblich fehlerhafte Ratings geklärt. Das Gericht hat entschieden, dass die von SCHALAST vertretene Ratingagentur für Unternehmensratings weder aus Art. 35a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (Rating-VO) noch unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegenüber Anlegern haftet. Auf die Frage, ob die Ratings – wie von den Klägern behauptet – tatsächlich fehlerhaft waren, brauchte das Gericht nicht einzugehen.

Sachverhalt

Die beklagte Ratingagentur hat in den Jahren 2012 und 2013 im Auftrag einer Aktiengesellschaft („Unternehmen") für diese Unternehmensratings erstellt und veröffentlicht. Das Unternehmen wurde mit der Note „BBB" bewertet, was nach der Skala der Beklagten eine stark befriedigende Bonität bzw. geringes bis mittleres Insolvenzrisiko bedeutete. Im Juni 2014 – 9 Monate nach dem letzten Rating – wurde das Unternehmen insolvent. Die Kläger hatten im Januar 2014, also nach dem letzten Rating, jedoch vor Stellung des Insolvenzantrages, Anleihen des bewerteten Unternehmens erworben, angeblich im Vertrauen auf die Unternehmensratings. Die Kläger forderten von der Ratingagentur Schadensersatz für die angeblich fehlerhaften Ratings. Sie haben behaupteten, dass die Ratings falsch gewesen seien und die Bonität des Unternehmens deutlich schlechter hätte bewertet werden müssen.

Die Entscheidung: Keine Schadensersatzansprüche der Anleger bei Unternehmensratings

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Düsseldorf zurückgewiesen und in einer ausführlichen Begründung dargelegt, dass Ratingagenturen gegenüber Anlegern weder aus Art. 35a der Rating-VO noch aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haften, wenn sie nicht die erworbene Anleihe, sondern lediglich den Emittenten selbst bewertet haben.

Unternehmensrating ist kein Finanzproduktrating

Soweit die Kläger Schadensersatzansprüche aus Art. 35a der Rating-VO herleiten wollten, hat das Gericht auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 35a Abs. 1 S. 2 Rating-VO hingewiesen, wonach ein Anleger nur dann Schadensersatz von einer Ratingagentur verlangen kann, wenn er nachweist, dass er sich bei seiner Entscheidung, in ein Finanzinstrument zu investieren, auf ein Rating verlassen hat, das sich auf dieses Finanzinstrument bezieht. Im vorliegenden Fall bezogen sich jedoch die von der Beklagten erstellten Ratings nicht auf das erworbene Finanzinstrument – die Anleihe – sondern allein auf das Unternehmen selbst. Das Oberlandesgericht ist der Argumentation der Kläger nicht gefolgt, dass sich ein Rating des Unternehmens zugleich auf die vom Unternehmen emittierten Finanzinstrumente beziehe. Dagegen spreche entscheidend, dass Art. 35a Abs. 1 Rating-VO die Haftung für Ratings von Finanzinstrumenten und für Ratings eines (emittierenden) Unternehmens gerade unterschiedlich regelt. Der europäische Gesetzgeber habe insoweit bewusst differenziert und keine Haftung gegenüber Anlegern für Unternehmensratings gewollt.

Keine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Das Oberlandesgericht hat auch eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verneint. Eine Haftung nach dieser Rechtsfigur setzt nämlich voraus, dass (1) der Dritte mit der Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt, (2) ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, (3) den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und (4) der Dritte schutzbedürftig ist. Das Gericht hat bereits die erforderliche bestimmungsgemäße Leistungsberührung für nicht gegeben angesehen, weil die Unternehmensratings nicht der Bewertung der Anleihen dienten. Der Senat hat auch ein Interesse der Emittentin, Anleger in den Schutzbereich des Ratingvertrages einzubeziehen, abgelehnt. Es sei nicht erkennbar, dass die Emittentin zugunsten ihrer potentiellen Anleihegläubiger über die in den Anleihebedingungen geregelten Rechte hinausgehende Schutzpflichten begründen wollte. Schließlich wird im Urteil hervorgehoben, dass beim Rating eines Unternehmens der Kreis potentiell geschützter Dritter nicht ansatzweise erkennbar wäre. Nach Veröffentlichung eines Unternehmensratings kann die Ratingagentur dessen Verbreitungsgrad nicht beeinflussen, ja nicht einmal nachvollziehen. Es ist für sie nicht abschätzbar, wer ihr Rating für wirtschaftliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem bewerteten Unternehmen heranziehen wird. Insoweit kommen nicht nur potentielle Anleger, sondern sämtliche potentielle Gläubiger des bewerteten Unternehmens in Betracht. Das Haftungsrisiko wäre für die Ratingagentur weder überschau- noch versicherbar.

Keine Expertenhaftung

Das Oberlandesgericht hat mit einer kurzen Begründung auch weitere von klagenden Anlegern vorgebrachte Anspruchsgrundlagen abgelehnt. Ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB unter dem Aspekt der sog. Expertenhaftung bestehe nicht, weil die Kläger nicht darauf vertrauen konnten, dass die Ratingagentur für die Sicherheit und Werthaltigkeit der von ihnen erworbenen Anleihen eine zusätzliche Gewähr bieten wollte. Ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 35a Abs. 1 Satz 2 Rating-VO scheide aus, weil – selbst wenn man Art. 35a Rating-VO als Schutzgesetz ansehen würde – der Anspruch keinen geringeren Anforderungen unterläge als der vorliegend nicht bestehende Anspruch aus Art. 35a 1 Satz 2 Rating-VO.

Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung grundsätzlich möglich

Nicht von vornherein ausgeschlossen sein soll dagegen ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Im vorliegenden Fall sah das Oberlandesgericht jedoch keinen Anhaltspunkt für einen Sittenverstoß. Dieser setzt objektiv eine besonders schwerwiegende Verletzung von Sorgfaltspflichten und subjektiv eine Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit prägenden Umständen voraus. Dass eine kritischere Prüfung des Unternehmens womöglich zu einem anderen Ratingergebnis geführt hätte, reiche für eine Haftung aus § 826 BGB nicht aus.

Fazit

Mit dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf dürfte weitgehende Klarheit im Bereich der Haftung von Ratingagenturen für Unternehmensratings gegenüber Anlegern geschaffen sein. Weiterhin offen ist hingegen, wie deutsche Gerichte mit Klagen von Anlegern wegen vermeintlich fehlerhafter Ratings von Finanzinstrumenten umgehen werden. Fraglich ist, wie Art. 35a Rating-VO insbesondere im Hinblick auf die Haftungsvoraussetzungen (Sorgfaltspflichtverletzung) zu verstehen ist und ob daneben eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anwendbar sein kann.