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Corona: Kartellrecht

07.05.2020, News

Dieser Beitrag ist Teil unseres ständig aktualisierten Corona Resourcen Centers.

Aufgrund des Corona-Virus stehen Unternehmen aktuell vor besonderen Herausforderungen. So beeinträchtigen vermehrt Lieferengpässe oder sogar Lieferausfälle das tägliche Geschäft. Um in dieser ungewissen Zeit und den damit verbundenen außergewöhnlichen Umständen die Verluste möglichst gering zu halten, spielen Kooperationen von Unternehmen und teilweise auch Wettbewerbern eine immer größere Rolle. So kann beispielsweise eine Kooperation angezeigt sein, um die Versorgung und die faire Verteilung von wesentlichen knappen Produkten und Dienstleistungen an alle Verbraucher zu gewährleisten.

Gemeinsame Erklärung des Netzwerks der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN)

Als Reaktion auf dieses Bedürfnis haben die Europäische Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde und die nationalen Wettbewerbsbehörden, die zusammen das Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden bilden, eine gemeinsame Erklärung zur Anwendung der Kartellvorschriften während der aktuellen Coronavirus-Krise herausgegeben. In dieser Erklärung wird erläutert, dass beispielsweise gegen notwendige und vorübergehende Maßnahmen nicht eingegriffen werde, wenn sie zur Vermeidung von Versorgungsengpässen eingeführt wurden. Das ECN geht ohnehin davon aus, dass solche Verhaltensweisen schon gar keine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art.101 AEUV darstellen oder ausreichende Effizienzvorteile bieten, die eine Beschränkung letztlich rechtfertigen würden.
Neben der Überwachung von Kooperationen erkennt das ECN aber auch die Notwendigkeit die Missbrauchsaufsicht von marktbeherrschenden Unternehmen nicht zu vernachlässigen. Gerade hinsichtlich der Produkte, die in der gegenwärtigen Situation als essenziell für den Schutz der Gesundheit der Verbraucher angesehen werden (z.B. Gesichtsmasken und Desinfektionsgel), besteht eine erhöhte Gefahr von Preismissbrauch. Das ECN weist daher darauf hin, dass es nach wie vor gegen Unternehmen vorgehen wird, die die derzeitige Situation durch Kartellbildung oder Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung ausnutzen.

Sollten Unternehmen Zweifel an der Vereinbarkeit ihrer geschäftlichen Aktivitäten mit dem EU-Wettbewerbsrecht haben, können sie sich jederzeit an die Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde oder die betreffende nationale Wettbewerbsbehörde (in Deutschland das Bundeskartellamt) wenden, um informelle Beratung zu erhalten.

Hilfestellung durch die Kommission

In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission eine gesondertes Emailpostfach (COMP-COVID-ANTITRUST@ec.europa.eu) eingerichtet, um auf besondere Anfragen schnellstmöglich reagieren zu können. Anfragen zu Kooperationen sollten möglichst detaillierte Informationen zu den betroffenen Unternehmen, Produkten/Dienstleistungen, dem Umfang der Zusammenarbeit, sowie den Vorteilen, die mit der Zusammenarbeit erreicht werden sollen, enthalten. Am 8. April 2020 hat die Kommission zudem das Papier "Vorläufiger Rahmen für die Beurteilung kartellrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit der Unternehmenskooperation als Reaktion auf dringende Situationen, die sich aus dem aktuellen Ausbruch von COVID-19 ergeben" veröffentlicht.

Weiterhin können wie gewohnt die Leitlinien der Europäischen Kommission für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Geschäftsvereinbarungen mit dem EU-Wettbewerbsrecht herangezogen werden (Vgl. insbesondere Leitlinien zu Art.101 Abs3 AUEV, horizontale und vertikale Gruppenfreistellungsverordnung).

Erklärung des International Competition Network

Auch das Leitungsgremium der bedeutendsten Vereinigung von Wettbewerbsbehörden weltweit, des International Competition Network (ICN) hat in einer ähnlichen Erklärung vom 09. April 2020 zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts während der Corona-Krise Stellung bezogen. So ist das ICN weiterhin bestrebt sich mit den nationalen Wettbewerbsbehörden über Ideen, Erfahrungen und bewährten Verfahren auszutauschen, um einen effektiven Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher und der Wirtschaft zu gewährleisten. Aus Sicht des ICN ist gerade die Förderung und der Schutz des Wettbewerbs entscheidend, um die Auswirkungen der Krise bestmöglich zu bewältigen und um eine geeignete Basis für die wirtschaftliche Erholung zu bilden. In diesem Sinne warnt die ICN vor wettbewerbsfeindlichen Kartellabsprachen, sowie dem Missbrauch von marktbeherrschender Stellung.

Fusionskontrolle

Fusionskontrollverfahren werden nach wie vor von den zuständigen Wettbewerbsbehörden durchgeführt. Die entsprechenden Fristen und Formalien gelten mithin unverändert. Dennoch empfehlen sowohl die Europäische Kommission als auch das Bundeskartellamt zurzeit von nicht notwendigen Anmeldungen abzusehen. Es sollte folglich in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Vorhaben in der gegenwärtigen Situation durchgeführt werden muss.

Allerdings plant die deutsche Bundesregierung zurzeit eine Gesetzesänderung zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie im Wettbewerbsrecht und für den Bereich der Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft. In dem vorliegenden Gesetzesentwurf vom 23. April 2020 wird unter anderem beabsichtigt, die für das Fusionskontrollverfahren geltenden Prüffristen einmalig auf 2 Monate für Phase 1-Entscheidungen und auf 6 Monate für Phase 2-Entscheidungen zu verlängern. Die Verlängerung soll dabei nur Anmeldungen von Zusammenschlüssen in der Zeit vom 1. März 2020 bis 31. Mai 2020 betreffen. Grund für die Verlängerung der Prüffristen ist, dass das Bundeskartellamt aufgrund der aktuellen Umstände nicht oder nicht innerhalb des üblichen Zeitrahmens in der Lage ist, angemessene Ermittlungen durchzuführen und die angemeldeten Zusammenschlüsse auf ihre wettbewerbsrechtliche Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.

Lauterkeitsrecht und Verbraucherschutz

Für Fragen zu unfairen Geschäftspraktiken und Fragen zum Verbraucherschutz sind die Wettbewerbsbehörden nicht zuständig. Solche Anfragen können direkt an die entsprechende Behörde geschickt werden:

  • Für Onlinekäufe: Online Dispute Resolution Platform
  • Für grenzüberschreitende Sachverhalte: European Consumer Centres Network
  • Sonstige nationale Streitschlichtungsstellen (in Deutschland beispielsweise die Verbraucherschutzzentrale)