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Haftung von Entscheidungsträgern bei Corona-bedingten Risikoentscheidungen

25.05.2020, Germany, Frankfurt

Die gegenwärtige Pandemie-Situation verlangt von Entscheidungsträgern in Unternehmen, insbesondere Vorständen oder Geschäftsführern, Entscheidungen mit teils erheblichen wirtschaftlichen Risiken auf einer sehr vagen Informationsgrundlage zu treffen. Für die insofern handelnden Personen stellt sich hierbei neben der Frage der wirtschaftlichen Konsequenzen für das Unternehmen immer auch die Frage einer möglichen persönlichen Haftung, sofern sich ein Risiko später tatsächlich verwirklicht. Dabei drohen dem Entscheidungsträger nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen in Form einer persönlichen Haftung für etwaige Schäden, sondern überdies auch strafrechtliche Folgen, da er regelmäßig als Verwalter fremden Vermögens anzusehen ist und daher schnell der Untreuetatbestand des § 266 StGB erfüllt sein kann.

Dies sowie ein sehr lesenswerter Aufsatz von Herr Prof. Dr. Dr. Michael Kubiciel (der wesentliche Grundlage dieser Ausführungen ist), erschienen in Ausgabe 18/2020 der Neuen Juristischen Wochenschrift unter dem Titel „Haftung für unternehmerische Risikoentscheidungen während der Corona-Pandemie", soll zum Anlass genommen werden, im Folgenden in der gebotenen Kürze auf die Haftungsrisiken eines Geschäftsführers oder Vorstands einer Kapitalgesellschaft bei Risikoentscheidungen einzugehen.

1. Grundsatz

Grundsätzlich hat ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft („AG") bei der Geschäftsführung nach Maßgabe von § 93 Abs. 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Der gleiche Sorgfaltsmaßstab gilt gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG für Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung („GmbH").

Dass dabei die Führung eines Unternehmens „schlechterdings" nicht ohne einen weiten Handlungsspielraum und das Eingehen gewisser unternehmerischer Risiken denkbar ist wurde auch von Rechtsprechung und Gesetzgeber erkannt. Infolge dessen wurde dem Vorstand einer AG zunächst durch entsprechende Auslegung von § 93 AktG später durch Aufnahme des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt. So sieht § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vor, dass eine Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (sog business judgement rule).

Geschäftsführer einer GmbH haben dagegen zunächst etwaigen (rechtmäßigen) Weisungen der Gesellschafter nachzukommen, und zwar auch dann, wenn es sich um eine (wirtschaftlich) schädliche Weisung handelt. Hat sich der Geschäftsführer aber nicht an dem Gesellschafterwillen zu orientieren (etwa mangels ausdrücklicher Anweisung), gelten die vorstehend angesprochenen Grundsätze entsprechend, so dass auch dem Geschäftsführer grundsätzlich ein unternehmerischer Ermessensspielraum zugebilligt wird.

2. In der Krise

Nun stellt sich aber vielfach die Frage, was die für eine Enthaftung des Vorstands einer AG oder den Geschäftsführer einer GmbH nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bzw. den zugrundeliegenden Grundsätzen erforderliche „angemessene Informationsgrundlage" darstellt. So stellt sich die gegenwärtige wirtschaftliche Lage in der COVID-19-Pandemie nicht nur für Entscheidungsträger, sondern auch für Wirtschafts- und andere Experten als einmalige Ausnahmesituation dar. Denn Informationen können binnen kürzester Zeit überholt sein und es ist bekannt, dass insbesondere Prognosen in die Zukunft erheblichen Ungewissheiten unterliegen. So kann zum Beispiel momentan niemand ernsthaft abschätzen, ob es zu der vielfach befürchteten „zweiten Infektionswelle" kommt und wie diese sich auswirkt, ob gar erneute und möglicherweise noch drastischere Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen erforderlich sein werden (mit entsprechenden Folgen für die Wirtschaft und Unternehmen).

Im Rahmen der strafrechtlichen Aufarbeitung von Transaktionen der HSH Nordbank während der Finanzkrise 2017 hat der Bundesgerichtshof zudem entschieden, dass um der Informationspflicht aus § 93 Abs. 1 AktG zu genügen, ein Vorstandsmitglied grundsätzlich alle in der konkreten Entscheidungssituation verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen muss. Nur auf dieser Grundlage könnten die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abgeschätzt und könnte den erkennbaren Risiken Rechnung getragen werden (BGH NJW 2017, 578, 580). Dementsprechend sei es notwendig, aber auch ausreichend, dass sich der Vorstand eine unter Berücksichtigung des Faktors Zeit und unter Abwägung der Kosten und Nutzen weiterer Informationsgewinnung „angemessene" Tatsachenbasis verschaffe (BGH NJW 2017, 578, 580). Es komme nicht darauf an, dass die Entscheidung tatsächlich auf der Basis angemessener Informationen erfolgte und dem Wohle der Gesellschaft diente, vielmehr reiche es aus, dass der Vorstand dies im Zeitpunkt der Entscheidung „vernünftigerweise" annehmen durfte.

Dieser Sorgfaltsmaßstab soll dabei nach dem Urteil des BGH nicht nur für die Anwendung des Gesellschafts- und Haftungsrechts gelten, sondern ebenso Relevanz für die Frage einer möglichen Strafbarkeit des Handelnden nach § 266 StGB haben. Handelt ein Entscheidungsträger somit mit der Absicht, von außen auf das Unternehmen einwirkende, potenziell existenzbedrohende Gefahren zu reduzieren, kann dies bei der Frage berücksichtigt werden, ob das Verhalten eine strafbare Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht des § 266 StGB darstellt (Kubiciel: Haftung für unternehmerische Risikoentscheidungen während der Corona-Pandemie, NJW 2020, 1249, 1251).

Diese damals für unternehmerische Entscheidungen während der Finanzkrise 2017 aufgestellten Grundsätze dürften auch für Entscheidungen in der gegenwärtigen COVID-19-Krisensituation Anwendung finden und den Entscheidungsträgern die notwendige Freiheit geben, kurzfristige und risikobehaftete Entscheidungen auch bei erheblich unsicheren Zukunftsprognosen zu treffen.

3. Empfehlung

Insofern empfehlen wir, dass stets insbesondere vor riskanten Entscheidungen im Rahmen des zeitlich und tatsächlich möglichen umfassende Informationen eingeholt werden. Rein vorsorglich sollte dies detailliert dokumentiert werden, um im Bedarfsfall den Nachweis über die Einhaltung der Informationspflicht führen zu können.

Für Geschäftsführer einer GmbH besteht zudem die Möglichkeit, etwaige Entscheidungen der Gesellschafterversammlung vorzulegen, um auch auf diesem Wege einer möglichen Haftung zu entgehen.

Letztlich handelt es sich aber bei sämtlichen Transaktionsentscheidungen um individuelle Einzelfälle, die auch von der Rechtsprechung regelmäßig so betrachtet werden. Es kann daher trotz der vorstehend aufgeführten Rechtsprechung nicht ausgeschlossen werden, dass ein entscheidender Richter im Einzelfall die von einem Entscheidungsträger vorab eingeholten Informationen als nicht ausreichend erachtet.

Sprechen Sie uns daher gerne an, sollten Sie Fragen zu einer möglichen Haftung wegen vergangener oder bevorstehender Transaktionen oder anderer unternehmensrelevanter Entscheidungen haben. Unsere Teams von Schalast an den Standorten Frankfurt am Main, Hamburg und Berlin stehen Ihnen gerne in jeder Situation verlässlich zur Seite.