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Öffentliche Wiedergabe von TV-Signalen: BGH zur Frage der Weitersendung in einer Ferienanlage

03.12.2020, Germany, Frankfurt

Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit dem Thema der öffentlichen Wiedergabe von TV-Signalen auseinandersetzen müssen und dieses Mal die Frage beantwortet, ob ein Betreiber einer Ferienwohnanlage mit acht Ferienwohnungen in das ausschließliche Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Urhebern, Sendeunternehmen und Filmherstellern eingreift (BGH, Urt. v. 18. Juni 2020, Az.: 171/19).

Bereits vor dieser Entscheidung haben sich diverse Gerichte mit dem Thema der öffentlichen Wiedergabe von TV-Signalen befasst, unter anderem ging es dort um Gäste von Hotels und Gaststätten sowie Patientinnen einer Zahnarztpraxis, einer Kureinrichtung, eines Rehabilitationszentrums oder eines Krankenhauses. Gemein ist all diesen Verfahren, dass die Gerichte sich mit der Frage auseinandersetzen mussten, ob es eine öffentliche Wiedergabe darstelle, wenn den jeweiligen Personen TV-Signale zur Verfügung gestellt wurden.

GEMA forderte Abgabe

Die Beklagte betreibt in einem bayerischen Ferienort einen Beherbergungsbetrieb mit acht Ferienwohnungen, die im Internet beworben werden. Die dort genannten Preise galten für eine Belegung mit zwei Personen; eine erweiterte Belegung kann für einen Preisaufschlag von jeweils ¬15 Euro pro Person gebucht werden. Die Ferienwohnungen sind jeweils mit Radio- und Fernsehgeräten ausgestattet und werden entsprechend beworben. Radio- und Fernsehsendungen werden durch eine Verteileranlage an jede der acht Ferienwohnungen übertragen.

Die Klägerin, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), forderte im Verfahren von der Beklagten nun für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 30. September 2017 die Zahlung einer urheberrechtlichen Abgabe.

Entscheidend: öffentliche Wiedergabe

Wie auch schon in anderen hier besprochenen Urteilen (OLG Braunschweig zur Weiterleitung in Ferienparks oder auch hier, hier, hier, hier sowie ausführlich hier) war für den vorliegenden Fall entscheidend, ob die Betreiberin der Ferienwohnanlage eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3, §§ 20, 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG vornimmt oder nicht. Um diese Frage zu beantworten, prüfte der Bundesgerichtshof jedes einzelne Tatbestandsmerkmal sehr ausführlich.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist eine öffentliche Wiedergabe gegeben, wenn die Betreiberin einer Ferienwohnanlage zuvor von ihr empfangene Hör- und Fernsehfunksignale zeitgleich, unverändert und vollständig durch technische Mittel wie Kabel an die angeschlossenen Empfangsgeräte der Ferienwohnungen weiterleitet. Die für eine Wiedergabe erforderliche Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens nahm der Bundesgerichtshof zu Lasten der Betreiberin ebenfalls an; sie sei absichtlich und gezielt tätig geworden, um Dritten (ihren Gästen) einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen. Ob die Dritten diesen Zugang tatsächlich nutzten, sei unerheblich (in Fortsetzung seiner Rechtsprechung in Sachen Krankenhausradio, Urt. v. 11. Januar 2018, Az.: I ZR 85/17).

Sind Gäste einer Ferienanlage „Öffentlichkeit"?

Den Einwand der Betreiberin, ihre Gäste seien keine „Öffentlichkeit", ließ der Bundesgerichtshof nicht gelten. Vielmehr sei dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, weil es sich vorliegend um eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und zugleich um recht viele Personen handele. Um eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten" handele es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. So verhalte es sich auch vorliegend.

Dass, wie die Beklagte vortrug, die Ferienwohnungen zum Großteil von Stammgästen gebucht und besucht werden, überzeugte den Bundesgerichtshof ebenso wenig wie die beiden Vorinstanzen, das Landgericht München I (Urt. v. 17. Juli 2019, Az.: 21 S 569/19) und das Amtsgericht Traunstein (Urt. v. 20.12.2018, Az.: 319 C 931/18). Grund sei insbesondere, dass eben nicht nur Stammgäste zu den Gästen zählten, die Ferienwohnungen im Internet quasi unbegrenzt beworben würden und für jedermann zur Anmietung bereitstünden.

Nicht nur Bereitstellung von Endgeräten, sondern aktive Verbreitungshandlung

Überzeugen konnte den Bundesgerichtshof auch nicht der Einwand der Betreiberin, sie stelle allein die Endgeräte bereit, was, so auch schon der EuGH, keine Wiedergabe im urheberrechtlichen Sinne darstelle (EuGH, Urt. v. 7. Dezember 2006, Az.: C-306/05 – SGAE/Rafael). Vorliegend erschöpfe sich die Handlung der Betreiberin jedoch nicht in der Bereitstellung der Endgeräte, so der Bundesgerichtshof; es komme vielmehr noch die Verbreitungshandlung der Weiterleitung über eine Verteilanlage an die Endgeräte hinzu, was, so auch schon der EuGH, sehr wohl eine Wiedergabe im urheberrechtlichen Sinne darstelle (EuGH, GRUR 609, Rdnr. 35 – Fleetmanager).

Ende nicht absehbar

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr festgestellt, dass auch eine Betreiberin von acht Ferienwohnungen, die mit Radio- und Fernsehgeräten ausgestattet sind, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3, §§ 20, 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG vornimmt. Als Gründe für seine Entscheidung führte der BGH insbesondere die Bewerbung im Internet sowie die Weiterleitung der Radio- und Fernsehsignale über eine Verteilanlage an.

Die deutsche Rechtsprechungslandschaft ist also wieder einmal um ein weiteres Urteil zur öffentlichen Wiedergabe von Radio- und Fernsehsignalen reicher. Ein Ende ist jedoch noch nicht abzusehen – gibt es doch noch einige denkbare Konstellationen wie die der Antennengemeinschaften, die bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden sind.