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Bundestag beschließt 10. GWB-Novelle

15.01.2020, Germany, Frankfurt

Jetzt ist es also soweit – der Bundestag hat dem Entwurf des GWB-Digitalisierungsgesetzes am 14. Januar 2021 zugestimmt und damit den Weg bereitet für die zehnte Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Wir hatten uns bereits im November 2019 dem damaligen Entwurf gewidmet und die wesentlichen Änderungen vorgestellt. Die Entscheidung des Bundestags wollen wir zum Anlass für eine erneute Erkundungstour durch den Entwurf nehmen und die wesentlichsten der nun beschlossenen Änderungen knapp vorstellen.

Die Änderungen des Kartellrechts

Die 10. GWB Novelle soll den Kartellbehörden ein Mittel an die Hand geben, um marktmächtige Digitalkonzerne und Online-Plattformen besser zu kontrollieren und machtmissbräuchliches Verhalten zu ahnden (ein Ziel, das auch die Europäische Kommission mit ihrem Digital Markets Act verfolgt). So lautet der offizielle Name des GWB-Digitalisierungsgesetzes auch „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (GWB-Digitalisierungsgesetz)".
Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, würde man die 10. GWB-Novelle schlicht als digitales Update des GWB sehen. Vielmehr sieht die 10. GWB-Novelle zahlreiche, teilweise auch tiefgreifende Änderungen vor, die erhebliche Auswirkungen auf die Kartellrechtspraxis haben werden.

Anpassung der Missbrauchsaufsicht an Digitale Märkte

Eine deutlich gewichtigere Rolle soll zukünftig die Missbrauchsaufsicht über Plattformunternehmen einnehmen. Hintergrund dieser Änderung ist, dass Vermittler bzw. Intermediäre in der digitalen Wirtschaft eine zunehmende Bedeutung erlangen und erheblichen Einfluss auf vor- oder nachgelagerte Märkte ausüben. Im Extremfall kann es sogar vorkommen, dass ein solches Unternehmen über den Marktzugang von Wettbewerbern entscheidet. Dementsprechend wurde in den neu eingefügten § 19a GWB eine Liste mit sieben Tatbeständen und zehn Regelbeispielen von Praktiken aufgenommen, die das Bundeskartellamt Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb (UmüB) per Verfügung untersagen kann. So kann beispielsweise das Vorenthalten von Daten künftig als missbräuchliche Behinderung gewertet werden.

Generell soll durch die 10.GWB Novelle der Missbrauch von oder mithilfe von Nutzerdaten in Zukunft unterbunden werden. Was zeitweise im Rahmen der Facebook Entscheidung des Bundeskartellamts als unsicher galt (BKartA 06.02.2019, B6-22/16- „Facebook") und vom Bundesgerichtshof letztlich bestätigt wurde (BGH, 23.06.2020, KVR 69/19), wird nun durch die Neuregelung des Gesetzgebers in § 19a Abs. 2 GWB endgültig klargestellt.

Vorgesehen ist zudem eine Alleinzuständigkeit des Bundesgerichtshofs in §19a-Verfahren, § 73 Abs. 5 GWB. Hiernach entscheidet der Bundesgerichtshof als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts nach § 19a sowie §§ 32a und 32b, soweit diese Vorschriften auf Sachverhalte im Sinne des § 19a angewendet werden. Hiermit soll sichergestellt werden, dass eine schnelle und verbindliche Klärung der Angelegenheit herbeigeführt wird, was angesichts der rapiden Geschwindigkeit in Online-Märkten auch von vielen Seiten gefordert wurde.

Beweiserleichterung beim Kartellschadensersatz

Neben der derzeit schon bestehenden Vermutung, dass ein festgestellter Kartellverstoß auch zu einem Schaden geführt hat (§ 33a Abs. 2 GWB), soll nach der 10. GWB-Novelle auch widerleglich vermutet werden, dass bestimmte Rechtsgeschäfte über Waren- oder Dienstleistungen von einem Kartell erfasst waren. Kartellgeschädigte müssen also nicht mehr beweisen, dass ein bestimmtes Rechtsgeschäft vom Kartell betroffen war; vielmehr gilt diesbezüglich nunmehr ein Anscheinsbeweis. Zu dieser Regelung sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil der Bundesgerichtshof im Schienenkartell-Urteil (12. Dezember 2018, Az.: KZR 26 / 17 – Schienenkartell) klarstellte, dass ein derartiger Anscheinsbeweis derzeit nicht gegeben ist (siehe auch das Urteil des Landgerichts Dortmund zur Frage der Schadenshöhe bei Kartellschadensersatzverfahren).

Weitergehende Änderungen, wie insbesondere die von vielen Seiten geforderten Regelungen zur Schadensbemessung, wie beispielsweise ein Bekenntnis zur freien Schadensschätzung, wurden jedoch nicht vorgenommen. So bleibt es weiterhin den Gerichten überlassen, hier pragmatische Lösungen zu finden.

Änderungen bei der Fusionskontrolle

Auch bei den Regelungen der Fusionskontrolle setzt der Gesetzgeber den Stift an und sieht Änderungen vor. Um die Behörden zu entlasten wird die „kleine" Aufgreifschwelle statt wie ursprünglich vorgesehen auf EUR 10 Mio. nun auf EUR 17,5 Mio. und die „große" Aufgreifschwelle auf EUR 50 Mio. angehoben. Bislang mussten Fusionen und Zusammenschlüsse von Unternehmen immer dann beim Kartellamt angemeldet werden, wenn die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit mehr als EUR 500 Mio. und eines der beteiligten Unternehmen in Deutschland mehr als EUR 25 Mio. und ein weiteres beteiligtes Unternehmen in Deutschland mehr als EUR 5 Mio. Umsätze erwirtschaftet haben. Zudem wird die Umsatzberechnung einem einheitlichen internationalen Standard zugeführt.

Ferner räumt der Gesetzesentwurf zur Änderung des Kartellrechts der Behörde mehr Zeit zur Prüfung von Zusammenschlussverfahren ein – nämlich fünf statt bislang vier Monate ab Anmeldung.

Mehr Transparenz im Bußgeldverfahren

Schließlich enthält der Gesetzesentwurf einen nicht abschließenden Katalog von Zumessungskriterien, um die Bemessung von Bußgeldern transparenter zu gestalten. Bislang war es den Behörden möglich, nach freiem Ermessen Bußgelder bis zu 10% des weltweiten Konzernumsatzes zu verhängen. Nunmehr soll dieses Ermessen etwas überprüfbarer gestaltet werden und sich an den neuen Zumessungskriterien orientieren.

Neu hinzugekommen ist zudem ein Zusatz, wonach bei der Bemessung der Geldbuße auch vor der Zuwiderhandlung getroffene, angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen zu berücksichtigen sind.

Fazit & Ausblick

Die nunmehr zehnte Novellierung des Deutschen Kartellrechts ist also weitaus mehr als eine Anpassung des bestehenden Kartellrechts an die voranschreitende Digitalisierung. Die 10. GWB-Novelle geht vielmehr einher mit zahlreichen Änderungen, die erhebliche Auswirkungen auf die tägliche Praxis von Unternehmen, Behörden, aber auch Rechtsanwälten haben wird.

Zudem kann es nach dem langen Weg, den die 10. GWB-Novelle hinter sich hat, nun ganz schnell gehen. So ist nicht ausgeschlossen, dass der Bundesrat kurzfristig zustimmt und sie bereits in der nächsten Woche in Kraft tritt. Es bleibt aber dennoch spannend zu beobachten, wie das Bundeskartellamt mit den neuen Befugnissen umgehen wird.