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EuGH: Verbot regionaler Werbung kann freien Dienstleistungsverkehr beschränken

04.02.2021, Germany, Frankfurt

Am 3. Februar 2021 hat der EuGH (Az.: C-555/19) sein Urteil gesprochen: Das grundsätzliche Verbot aus dem deutschen Medienstaatsvertrag, im Rahmen bundesweit ausgestrahlter deutscher Fernsehprogramme Werbung nur regional zu zeigen, könnte gegen Unionsrecht, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit, verstoßen.

Zum Hintergrund

Die österreichische Fussl Modestraße Mayr GmbH („Fussl") betreibt in Österreich und im Freistaat Bayern eine Kette von Modegeschäften. Zur Bewerbung dieser schloss sie im Jahr 2018 mit der SevenOne Media GmbH, der Vermarktungsgesellschaft der ProSiebenSat.1-Gruppe, einen Vermarktungsvertrag. Dieser sah vor, dass über die in Bayern liegenden Kabelnetze der Vodafone Kabel Deutschland GmbH im Rahmen des bundesweiten Programms des Senders ProSieben Fernsehwerbung von Fussl ausgestrahlt werde. Durch die vertragliche Beschränkung auf die in Bayern liegenden Kabelnetze sollte sichergestellt werden, dass die Ausstrahlung auch nur auf den Freistaat beschränkt ist.

Unter Berufung auf § 7 Abs. 11 des Rundfunkstaatsvertrages, nunmehr ersetzt durch den wortgleichen § 8 Abs. 11 Medienstaatsvertrag, verweigerte SevenOne Media die Ausstrahlung der Fernsehwerbung. Nach diesen Vorschriften sei es ihr untersagt, so SevenOne Media, Fernsehwerbung im Rahmen bundesweit verbreiteter Programme regional auszustrahlen. Von der im Medienstaatsvertrag bzw. Rundfunkstaatsvertrag vorgesehenen Möglichkeit, regionale Werbung auf nationalen Fernsehkanälen zuzulassen, hat der Freistaat Bayern bislang keinen Gebrauch gemacht.
Daraufhin nahm Fussl SevenOne Media vor dem Landgericht Stuttgart (Az. 20 O 43/19) auf Erfüllung des Vertrages in Anspruch. Das Landgericht legte im Rahmen des Verfahrens dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Regelung des Staatsvertrags europarechtskonform sei oder gegen die Regelungen des Art. 56 AEUV zum freien Dienstleistungsverkehr verstoßen.

EuGH: Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs

Nach dem EuGH ist die Regelung des § 7 Abs. 11 RStV (bzw. § 8 Abs. 11 MStV) geeignet, den Zugang gebietsfremder Wirtschaftsteilnehmer wie Fussl zum deutschen Markt zu behindern, da sie daran gehindert werden, in Deutschland Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Fernsehwerbung in Anspruch zu nehmen.

Bei der Prüfung einer Rechtfertigung dieser Einschränkung stellt der EuGH zunächst fest, dass Zweck der Einschränkungen des § 7 Abs. 11 RStV ist, regionalen und lokalen Fernsehveranstaltern eine Einnahmequelle und damit ihren Fortbestand zu sichern. Hierdurch soll es ihnen ermöglicht werden, durch die Bereitstellung regionaler und lokaler Inhalte zum pluralistischen Charakter des Fernsehprogrammangebots beizutragen. Dieser Zweck wurde vom EuGH als durchaus legitim anerkannt.

Beschränkung ist geeignet, aber ggf. nicht angemessen

Bei der Prüfung, ob die Beschränkung (i) geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und (ii) nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, ist der EuGH jedoch etwas zurückhaltender. Weil das aufgestellte Verbot nicht für Werbung gilt, die über verschiedene Internetplattformen nur in einer Region verbreitet wird, sieht der EuGH die Geeignetheit des Verbots regionaler Werbung als kritisch. Insoweit wird das Landgericht Stuttgart im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob die über Internetplattformen erbrachten Werbedienstleistungen auf dem regionalen Werbemarkt eine echte Konkurrenz für die regionalen und lokalen Fernsehveranstalter darstellen.

Der EuGH hat auch festgestellt, dass § 7 Abs. 11 RStV selbst eine so genannte „Öffnungsklausel" enthält, die es den Bundesländern die Einführung einer weniger beschränkenden Maßnahme, also eine besondere Erlaubnisregelung, gestattet. Ob eine derartige Erlaubnis jedoch eine weniger einschränkende Maßnahme darstellt, hat nach Ansicht des EuGH nun das Landgericht Stuttgart zu prüfen.

Kein Verstoß gegen Freiheit der Meinungsäußerungen; Gleichbehandlungsgrundsatz fraglich

Ferner hat der EuGH festgestellt, dass die fragliche Regelung des § 7 Abs. 11 RStV keinen Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsäußerungen (Art. 11 der Charta der Grundrechte) darstellt.

Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 20 der Charta der Grundrechte) sieht der EuGH die Differenzierung kritisch und gibt dem Landgericht Stuttgart auf zu prüfen, ob das Verbot nicht zu einer Ungleichbehandlung der nationalen Fernsehveranstalter und der Anbieter von Werbung im Internet in Bezug auf die Ausstrahlung von Werbung auf regionaler Ebene führt.

Fazit und Ausblick

Es ist nun an dem Landgericht Stuttgart, die zahlreichen vom EuGH mitgegebenen Prüfungsaufträge umzusetzen. Je nachdem, was das Landgericht Stuttgart im weiteren Verlauf des Verfahrens feststellt, kann das Verbot regionaler Werbung im Rahmen bundesweiter Fernsehprogramme unionsrechtswidrig sein. Hierbei wird es insbesondere prüfen müssen, wie sich das Verbot im Vergleich zu regionaler Werbung im Internet verhält. Oder, wie es der EuGH sagt:

„Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer solchen nationalen Regelung nicht entgegensteht, sofern sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels des Schutzes des Medienpluralismus auf regionaler und lokaler Ebene zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts."

Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.