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Bundestag verabschiedet die TKG-Novelle

22.04.2021, News

Das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz, auch TKG-Novelle genannt, wurde heute mit den Stimmen der Regierungsfraktionen im Bundestag verabschiedet. Die Reform des TKG hat damit einen entscheidenden Schritt getan. Dies war auch dringend notwendig, denn der deutsche Gesetzgeber befindet sich mit der Umsetzung des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, welcher das neue TKG maßgeblich dient, bereits in Verzug. Am 04.02.2021 leitete die Kommission deswegen sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik ein.

Auf der Zielgeraden gab es dabei kurzfristig noch eine Reihe relevanter Anpassungen, über welche wir Sie in diesem Newsletterbeitrag informieren wollen.

Verlängerung der Übergangsfrist

Eine gewisse Erleichterung für die TK-Branche bedeutet die Verlängerung der Umsetzungsfrist. Das neue TKG soll nun nicht mehr in zwei bis drei Monaten nach Verkündung, sondern erst zum 01.12.2021 in Kraft treten. Die Umsetzung aller neuen und durchaus komplexen Vorgaben bleibt dennoch ambitioniert.

Nebenkostenprivileg lebt im Glasfaserausbau neu auf

Eine kleine Überraschung hält der kurzfristig ergänzte § 72 TKG-neu bereit. Das sogenannte „Nebenkostenprivileg" hat sich hier, in Verbindungen mit dem ebenfalls reformierten § 2 Nummer 15 BetrKV, teils in die Glasfaserwelt hinübergerettet. Die Mieter unter uns kennen dies vielleicht aus eigener Anschauung: Das Nebenkostenprivileg beschreibt die Umlagefähigkeit des Breitbandanschlusses des Wohnhauses auf die Mieter über die Betriebskostenabrechnung. Während dieses in seiner bisherigen Form zum 30.06.2024 auslaufen wird, sollen Vermieter zukünftig unter gewissen Voraussetzungen die Kosten einer neu errichteten Glasfaser-Hausverkabelung auf die Mieter umlegen können.

Die genaue Ausgestaltung ist komplex: § 72 TKG-neu gestattet zunächst die Vereinbarung eines sogenannten „Bereitstellungsentgelts" zwischen Eigentümer und dem Betreiber der Hausverkabelung. Das Bereitstellungsentgelt ist je Wohneinheit auf grundsätzlich 60 EUR pro Jahr gedeckelt (Ausnahmen gibt es bei besonders aufwändigen Maßnahmen, etwa wegen Denkmalschutzes). Erfolgt bzw. erfolgte die erstmalige Errichtung zwischen dem 01.01.2015 und dem 31.12.2027, kann das Bereitstellungsentgelt für grundsätzlich fünf Jahre umgelegt werden.

Zusätzlich Mieterhöhung möglich

Hiermit soll der FTTH-Ausbau beschleunigt werden. Auffallend ist, dass der Gesetzgeber die Regelung nicht technologieneutral gefasst hat, sondern stattdessen voll auf die Glasfaser setzt. Vermieter sollten die beschriebene Rückwirkung der Umlagefähigkeit nicht übersehen. Zu beachten ist auch, dass gemäß §§ 559 Abs. 1 S. 2 BGB, § 555b Nr. 4a BGB-neu zukünftig der erstmalige Anschluss der Mietsache per Glasfaser als Modernisierungsmaßnahme gilt und daher daneben eine Erhöhung der Miete ermöglicht.

Einführung des Equivalence-of-Input-Konzepts in die Regulierung

Regulierungsrechtlich bedeutsam ist die Einführung des Equivalence-of-Input-Konzepts als Zugangsverpflichtung marktmächtiger Unternehmen. Das Konzept beschreibt den gleichwertigen Zugang eines Wettbewerbers zu Systemen, Ressourcen, Datenbanken etc. wie das marktmächtige Unternehmen. Es handelt sich somit um ein Instrument der Nichtdiskriminierung und bedeutet einen entscheidenden Schritt hin zu mehr chancengleichem Wettbewerb.

Equivalence-of-Input wird sich zukünftig insbesondere in Verpflichtungszusagen wiederfinden (vgl. §§ 13 Abs. 4 Nr. 3, 18 Abs. 2 S. 3 TKG-neu), mittels welcher marktmächtige Unternehmen wettbewerbsabsichernde Zusagen gegenüber Wettbewerbern abgeben, welche von der BNetzA für verbindlich erklärt werden können. Die Elemente solcher Verpflichtungszusagen werden im TKG normiert. Existieren solche Verpflichtungszusagen, ist dies von der BNetzA bei der Entscheidung über die Regulierungsbedürftigkeit zu berücksichtigen und kann eine Regulierung sogar vollständig entfallen lassen. Darüber hinaus kann die BNetzA marktmächtige Unternehmen zu einer Gleichwertigkeit des Zugangs in Form einer Equivalence-of-Input auch direkt verpflichten (§ 24 Abs. 2 TKG-neu).

Verschärfung der Kundenschutzvorschriften teils abgeschwächt

Die TKG-Novelle hält eine Reihe neuer Kundenschutzvorschriften bereit, die den TK-Unternehmen das Leben nicht gerade leichter macht. Hierzu gehören umfassende vorvertragliche Informationspflichten, gesetzliche Minderungsrechte (etwa bei Unterschreitung der vereinbarten Datendurchsatzrate) sowie Ansprüche auf pauschale Entschädigungszahlungen (etwa bei verspäteter Entstörung).

Entschärft wurde diese Rechtsfolge bei der Entstörung dadurch, dass nunmehr auch höhere Gewalt eine solche Entschädigung ausschließt (§ 58 Abs. 3 S. 1 TKG-neu). Nach der Gesetzesbegründung fallen unter die höhere Gewalt ausdrücklich auch Handlungen Dritter. Wird der Netzbetrieb also etwa durch Bauarbeiten anderer Unternehmen gestört, scheint der Gesetzgeber eine Entschädigung nicht vorzusehen. Es bleibt abzuwarten, ob diese gesetzgeberische Auslegung von den Gerichten geteilt wird.

Bereichsspezifische Vorgaben zu Vertragslaufzeit und Kündigung – Deckelung des Entgeltabstands entfällt

Während § 56 TKG-neu zunächst gegenüber Verbrauchern das Angebot jedes Tarifs auch als 12-Monats-Variante vorsah und die Entgelthöhe für 2-Jahres-Verträge bei zusätzlich 25 % deckelte, muss der Anbieter nunmehr nur noch einen Vertrag mit einer Laufzeit über 12 Monate anbieten. Die Deckelung des Entgeltabstands entfällt.

Damit fällt § 56 TKG-neu weniger streng aus als im Regierungsentwurf des Gesetzes für faire Verbraucherverträge allgemein geplant. Sollte das Gesetz für faire Verbraucherverträge in dieser Form in Kraft treten, wird das TKG gegenüber dem neuen AGB-Recht also eine bereichsspezifische Ausnahmevorschrift enthalten, die als Lex specialis Vorrang genießt. Erhalten bleibt dagegen die nur noch einmonatige Kündigungsfrist nach Ende der Vertragslaufzeit im Falle der automatischen Verlängerung (§ 56 Abs. 3 TKG-neu). Letzteres gilt für alle Endnutzer, schließt also Geschäftskunden ein.

Nachschärfung beim „Recht auf schnelles Internet"

Das TKG referenziert als relevante Kriterien nunmehr neben der Mindestbandbreite auch Uploadrate und Latenz des Internetzugangs. Es bleibt aber grundsätzlich bei dem bereits zuvor normierten dynamischen Ansatz, wonach insbesondere die genutzten Zugänge von mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet für die Formulierung der genauen Anforderungen des Dienstes maßgeblich sein sollen. Auffallend ist, dass diese Aufgabe nicht mehr der BNetzA überlassen wird, sondern in Form einer Rechtsverordnung geregelt werden soll (§ 157 Abs. 3 S. 1 TKG-neu). Die Entscheidung wird damit stärker politisch geprägt sein und ist auch im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl gesteigerter Unsicherheit unterworfen.

Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens und Ausblick

Die Verabschiedung im Bundestag ist nicht mit der Verkündung des Gesetzes gleichzusetzen. Voraussichtlich Anfang Mai wird der Bundesrat über seine Zustimmung zur TKG-Novelle beraten. Dass dieser die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangen wird, ist nicht auszuschließen. Gravierende Veränderungen halten wir insoweit allerdings für unwahrscheinlich.

Thematisch eng mit der TKG-Novelle verwoben sind zum einen das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 sowie vor allem das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG). Die bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Vorgaben werden zukünftig aus dem TKG herausgelöst und im TTDSG verankert. Während das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 bereits morgen, am 23.04.2021, den Bundestag passieren soll, steht ein Termin für die Verabschiedung des TTDSG bislang aus. Ein zeitlicher Gleichlauf mit der TKG-Novelle wäre hier wünschenswert gewesen.

Für weitere Informationen und Unterstützung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.