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EuGH: Plattformbetreiber haften nicht für die Inhalte ihrer Nutzer – noch nicht

28.07.2021, News

Seit mehr als zehn Jahren geht der Musikproduzent Frank Peterson gegen YouTube und deren gesetzliche Vertreterin Google vor, weil im Jahr 2008 mehrere Tonträger auf YouTube hochgeladen wurden, an denen er nach seinem Vorbringen verschiedene Rechte innehat. Dieses Hochladen erfolgte ohne seine Erlaubnis durch Nutzer von YouTube. Es handelt sich um Titel aus dem Album „A Winter Symphony“ der Künstlerin Sarah Brightman sowie um private Tonmitschnitte, die bei Konzerten ihrer Tournee „Symphony Tour“ angefertigt wurden.

OLG Hamburg legt YouTube gewisse Pflichten auf

Im Juni 2015 hatte bereits das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Az.: 5 U 175/10) entschieden, dass YouTube LLC als Betreiberin der Plattform in den typischen Fallkonstellationen nicht Täterin, Mittäterin oder Teilnehmerin an einer durch ihre Nutzer begangenen Urheberrechtsverletzung sei. Dies insbesondere deshalb, weil sie sich die Inhalte nicht zu eigen gemacht habe.

Sofern YouTube aber eine konkrete Rechtsverletzung mitgeteilt werde, müsse sie in ihrer Eigenschaft als Störerin alle zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen treffen. Dies wird auch gestützt durch den Bundesgerichtshof (u. a. Urt. v. 28. Juli 2015, Az.: VI ZR 340/14), wonach der Rechteinhaber einen Anspruch auf Beseitigung eines durch eine falsche Tatsachenbehauptung geschaffenen Zustands fortdauernder Rufbeeinträchtigung habe.

Nach Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg habe YouTube daher nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren, sondern müsse auch Vorsorge treffen, damit es nicht zu weiteren Schutzrechtsverletzungen kommt.

Handlung der Wiedergabe

In dem laufenden Revisionsverfahren hatte der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 140/15) nun also den Europäischen Gerichtshof (Rs. C-682/18) angerufen um u. a. klären zu lassen, inwieweit die Betreiber von Internetplattformen haften, wenn urheberrechtlich geschützte Werke von Nutzern unbefugt auf diese Plattform hochgeladen werden.

Der EuGH prüfte zunächst, ob Internetplattformen hinsichtlich der von Nutzern hochgeladenen Inhalte selbst eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der RL 2001/29 vornehmen. Der EuGH hat im Rahmen der Prüfung auf die zentrale Rolle des Betreibers der Plattform und der Vorsätzlichkeit seines Handelns hingewiesen. Nach Ansicht des EuGH nimmt der Betreiber eine „Handlung der Wiedergabe“ vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen.

Neutralität des Betreibers

Im Ergebnis sieht der EuGH jedoch keine öffentliche Wiedergabe des Betreibers der Plattform für gegeben, es sei denn, er trägt über die bloße Bereitstellung der Plattform hinaus dazu bei, der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen.

Dies sei – im Einklang mit dem OLG Hamburg – unter anderem dann der Fall, wenn der Betreiber von der rechtsverletzenden Zugänglichmachung eines geschützten Inhalts auf seiner Plattform konkret Kenntnis hat und diesen Inhalt nicht unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihm sperrt. Darüber hinaus führt der EuGH noch weitere Beispiele auf, in denen der Betreiber haften könnte. Ferner sei relevant, ob der Betreiber neutral bleibe, das heißt, ob sein Verhalten rein technisch, automatisch und passiv ist, oder ob der Betreiber im Gegenteil eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser Inhalte oder eine Kontrolle über sie zu verschaffen möge.

Neue Rechtslage – mehr Rechte?

Durch die Richtlinie 2019/790, die der deutsche Gesetzgeber erst im Frühjahr dieses Jahres im Rahmen der Urheberrechtsreform 2021 umgesetzt hat, könnten sich jedoch ein paar Änderungen ergeben. Neben der auf das Pelham-Verfahren zurückzuführenden Einfügung des § 51a UrhG wurde auch das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz („UrhDaG“) geschaffen.

§ 1 des UrhDaG stellt nun ausdrücklich klar, dass ein Diensteanbieter Werke öffentlich wiedergibt, wenn er der Öffentlichkeit Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken verschafft, die von Nutzern des Dienstes hochgeladen wurden. Ferner sind Diensteanbieter nach § 4 Abs. 1 UrhDaG künftig verpflichtet, für von ihren Nutzern hochgeladene Inhalte die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben.

Betreiber derartiger Internetplattformen werden künftig also stärker in die Pflicht genommen, als dies bislang der Fall war. Sie müssen nicht mehr nur rechtsverletzende Inhalte löschen bzw. sperren, sondern schon einen Schritt früher dafür sorgen, dass sie die erforderlichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe innehaben. Rechteinhabern dürfte dies die Rechtsdurchsetzung deutlich erleichtern – und sie wahrscheinlich auch beschleunigen.