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BGH / Instanzgerichte: Bitte recht Legal Tech-freundlich

14.01.2020, Germany, Frankfurt

In seinem Urteil vom 27. November 2019 (Az. VIII ZR 285/18) hat sich der BGH erstmals intensiv mit dem Thema Legal Tech auseinandergesetzt und darin die Rechte von Legal Tech-Anbietern gestärkt.

1. Der Fall

Verkürzt dargestellt ging es in dem Verfahren um das Angebot der Webseite www.wenigermiete.de, die ein Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr.1 RDG (Rechtsdienstleistungsgesetz) betreibt. Hier können Mieter unter anderem über einen sog. „Mietpreisrechner" die ortsübliche Vergleichsmiete ermitteln und bei Überschreiten der „Mietpreisbremse" durch den Inkassodienstleister gegen ihren Vermieter vorgehen. Hierzu tritt der Mieter seine Ansprüche an den Inkassodienstleister ab und dieser versucht sie durchzusetzen. Der Mieter zahlt dabei nur im Erfolgsfall ein „Erfolgshonorar" in Höhe eines Drittels der jährlichen Mietersparnis. Konkret klagte der Inkassodienstleister für einen Mieter nach Einsatz des „Mietpreisrechners" unter Berufung auf die „Mietpreisbremse" auf Erstattung zu hoch bemessener Miete.

2. Das Urteil des BGH

Der Inkassodienstleister argumentierte im Verfahren, dass es sich bei der Zurverfügungstellung des „Mietpreisrechners" als Legal Tech nicht um eine rechtsberatende Tätigkeit handeln würde, sondern um eine „schematische Dienstleistung", die allein dazu dient, die über den Abgleich mit dem jeweiligen Mitspiegel ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete um 10 % zu erhöhen und diesen Betrag dann von der vereinbarten Miete abzuziehen.

Auch der BGH teilt letztlich diese Auffassung und kam im hiesigen Fall zu dem Ergebnis, dass die für den Mieter erbrachten rechtsberatenden und außergerichtlichen Tätigkeiten (noch) als Inkassodienstleistungen anzusehen sind und sich damit (noch) im Rahmen der Inkassodienstleistungsbefugnis nach RDG halten. Denn zur Inkassodienstleistung gehöre auch eine auf die Forderungseinziehung bezogene rechtliche Beratung des Gläubigers und der Begriff der Inkassodienstleistung sei zudem eher weit auszulegen.

Die in Rede stehende Tätigkeit weist zwar zum Teil Unterschiede zu einem Forderungseinzug im herkömmlichen, stärker von Mahn- und Beitreibungsmaßnahmen geprägten Sinne auf, ist jedoch laut BGH (noch) als (zulässige) Inkassodienstleistung anzusehen und von der Befugnis des Inkassodienstleisters, als registrierte Person Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen zu erbringen, (noch) gedeckt. Maßgebend für diese Beurteilung ist insbesondere die durch den Gesetzgeber mit dem RDG verfolgte Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen und Schaffung neuer Berufe. Demnach sind alle Maßnahmen, auch der Einsatz des „Mietpreisrechners", mit der Forderungseinziehung, die hier das Hauptaugenmerk des Inkassoauftrages bildet, verzahnt und dienen damit nur deren Verwirklichung.

Auch wenn der BGH damit dazu tendiert, den hier gegebenen Einsatz von Legal Tech (gerade noch) als zulässige Rechtsdienstleistung einzustufen, bedeutet dies nicht, dass schlichtweg jede andere solche Tätigkeit – auch und gerade über Legal Tech-Anbieter – zulässig ist. Erforderlich ist laut BGH vielmehr stets eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen.

3. Legal Tech auch in der Politik zunehmend im Fokus

Damit zeigt sich der BGH relativ „Legal Tech-freundlich". Auch in der Politik ist das Thema inzwischen angekommen. Die Justizministerkonferenz vom 5./6. Juni 2019 fordert in diesem Zusammenhang, nach dem RDG nicht erlaubnisfähige Rechtsdienstleistungen durch Legal-Tech-Angebote der Rechtsanwaltschaft vorzubehalten und entsprechende Anpassungen im anwaltlichen Berufs- und Gebührenrecht zu prüfen. Die Bundesregierung sieht in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucks. 19/12773) dagegen derzeit (noch) keinen konkreten Anlass für Liberalisierungen im RDG. Sie prüft jedoch, ob Liberalisierungen im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts erforderlich sind: So wird eine Lockerung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren geprüft, um die anwaltliche Erbringung von Legal-Tech-Angeboten zu fördern. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz beabsichtigt, demnächst Vorschläge mit den betroffenen Verbänden zu erörtern.

4. Ausblick

Die Frage, ob Geschäftsmodelle wie das vorliegend in Rede stehende gegen das RDG verstoßen, wurde bislang von den Instanzgerichten recht uneinheitlich beurteilt und wurde nun (vorerst) vom BGH geklärt. Ebenfalls hat zuletzt das Landgericht Braunschweig in einem richterlichen Hinweis betreffend ein Verfahren der Internetplattform „Myright" im VW-Dieselskandal, in dem „Myright" für mehr als 30.000 deutsche VW-Kunden aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz klagt, hingewiesen, dass es ebenfalls das in Rede stehende Abtretungsmodell via Legal Tech als zulässig erachtet. Zusammenfassend kann das BGH-Urteil als richtungsweisend in Sachen Legal Tech angesehen werden und dürfte dazu beitragen, dass weitere Legal Tech-Anbieter (mittels Inkassodienstleistungen) auf den Markt drängen werden

In Zusammenarbeit mit unserem Legal Service-Provider Clarius.Legal können wir bei Schalast Rechtsanwälte Notare in diesem Zusammenhang bereits heute das Beste aus beiden Welten anbieten, nämlich Legal Tech-Services u.a. für die Bereiche Gesellschaftsrecht, Corporate und M&A, jedoch jeweils bereitgestellt und durchgeführt allein von Rechtsanwälten – sodass sich Fragen wie im vorgestellten BGH-Urteil gar nicht erst stellen, da hier jeweils Rechtsanwaltsgesellschaften agieren. Unter anderem bieten wir Legal Tech-basierte Unterstützung bei der Erstellung von Auftragsverarbeitungsvereinbarungen nach Art. 28 DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung), Vertraulichkeitsvereinbarungen (NDA), Arbeitsverträgen, Kauf- und Werkverträgen, Darlehensverträgen sowie gerichtlichen Schriftsätzen. Falls Sie mehr über unsere Dienstleistungen auf diesem Gebiet erfahren wollen oder konkrete Fragen haben, sprechen Sie uns an. Wir beraten Sie gerne an unseren Standorten in Frankfurt am Main und in Hamburg.